Entwicklungspolitik

Lücking-Michel gegen Drohungen mit Entzug der Entwicklungshilfe

Auszüge aus einem Interview mit der KNA:

Frau Lücking-Michel, SPD-Chef Gabriel will nordafrikanische Länder mit dem Entzug von Entwicklungshilfe bestrafen, wenn sie keine Flüchtlinge zurücknehmen. Taugt Entwicklungshilfe zur Bestrafung?

Lücking-Michel: Die Stimmung geht in diese Richtung, aber ich hielte das für verrückt. Wir würden uns den Ast absägen, auf dem wir selber sitzen. Und wir würden den Hebel aus der Hand geben, mit dem wir langfristig Einfluss nehmen und Fluchtursachen bekämpfen können. Im Gegenteil: Wir würde nur neue Flüchtlingsströme hervorrufen, wenn wir die Entwicklungshilfe für nordafrikanische Länder einstellen würden.

Ist die Flüchtlingskrise nicht der beste Beweis für die große Bedeutung von Entwicklungspolitik?

Lücking-Michel: Wenn wir Entwicklungspolitiker es in dieser Situation nicht schaffen, für unsere Anliegen zu werben, dann schaffen wir es nie. Die hohe Zahl von Flüchtlingen macht schlagartig klar, wie wichtig gerechte Lebensverhältnisse und die Beseitigung von Fluchtursachen in anderen Weltgegenden auch für uns sind. Ich habe die Sorge, dass wir das angesichts der Debatte über die sexuellen Übergriffe und die Gewalt von Köln vergessen. Andererseits steht die Entwicklungspolitik auch unter massivem Rechtfertigungsdruck: Die Menschen fragen, was 50 Jahre Entwicklungspolitik bewirkt haben, wenn so viele Flüchtlinge kommen.

Nun fliehen viele der Flüchtlinge vor Krieg und Bürgerkrieg im Nahen Osten. Da kann Entwicklungspolitik doch nicht so viel ausrichten.

Lücking-Michel: Richtig ist, dass die Fluchtursachen vielfältig sind. Darauf richtig zu reagieren ist sehr anspruchsvoll. Selfies der Flüchtlinge mit der Bundeskanzlerin sind jedenfalls nicht dafür verantwortlich, dass Menschen ihre Heimat verlassen und den riskanten Weg nach Europa einschlagen. Entwicklungspolitik ist kein Allheilmittel. Aber oft stehen hinter den großen Konflikten auch Ursachen wie Klimawandel oder fehlende Zukunftschancen. Im Nahen Osten kann Entwicklungspolitik etwa dazu beitragen, die Nachbarländer Syriens, die wie Jordanien oder der Libanon Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben, durch schnelle Nothilfe und längerfristige Entwicklungszusammenarbeit zu stabilisieren und damit Fluchtursachen zu beseitigen. Da ist in den letzten Monaten einiges von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden, aber angesichts der Situation vor Ort nach wie vor viel zu wenig.

Auch aus Afrika kommen viele Flüchtlinge…

Lücking-Michael: Langfristig halte ich Afrika für das viel größere Problem, wenn man die Bevölkerungsentwicklung und die heute schon hohe Zahl an Binnenflüchtlingen sieht. Deutschland allein kann hier allerdings wenig bewegen. Wir brauchen die europäische oder sogar die weltweite Zusammenarbeit. Die internationalen Organisationen, die sich um Flüchtlinge oder den Kampf gegen den Hunger kümmern, müssen verlässlich finanziert werden. Es ist ein Skandal, dass auch Deutschland da in den vergangenen Jahren sehr zögerlich war.

Seit Jahren fordern Nichtregierungsorganisationen und auch Entwicklungspolitiker, dass Deutschland 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe ausgibt. Halten Sie das Ziel angesichts der gegenwärtigen Lage für erreichbar?

Lücking-Michel: Es ist schon ein wenig paradox: Da die Ausgaben für das erste Jahr der Flüchtlingsversorgung bei uns im Land auch auf die sogenannte ODA-Quote angerechnet werden dürfen, könnte es durchaus sein, dass wir in diesem Jahr dieser Quote sehr nahe kommen – was aber nicht jeden Entwicklungspolitiker freuen dürfte.

Warum?

Lücking-Michel: Weil ein großer Anteil dieses Geldes ja nicht für die eigentlichen Ziele der Entwicklungshilfe in den Zielländern eingesetzt wird. Für den Wahlkampf wäre es natürlich gut, mit der 0,7-Prozent-Quote werben zu können. Aber den Entwicklungspolitikern würde damit auch ein Druckmittel genommen, um mehr Geld für die internationale Entwicklung zu erhalten. Allerdings ist die sogenannte ODA-Quote ja nur begrenzt aussagekräftig.

Was meinen Sie damit?

Lücking-Michel: Erstens gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Leistungen man auf die Quote anrechnet. Schweden zum Beispiel hat alle Leistungen für Flüchtlinge angerechnet und steht deshalb mit seiner Quote gut da. Außerdem beschreibt die Quote ja immer ein Verhältnis zum gesamten Bruttoinlandsprodukt. Da dessen Summe zuletzt enorm gewachsen ist, ist auch der Etat des Entwicklungsministeriums enorm angewachsen. Für das Haushaltsjahr 2016 stehen 7,4 Milliarden Euro zur Verfügung, ein Anstieg, von dem wir vor Jahren nur träumen konnten. Dieses Geld muss nun sinnvoll ausgegeben werden – eine Aufgabe für sich.

Zentrale Zukunftsbereiche genießen hohe Priorität: Mehr Geld für Bildung, Forschung und Entwicklungszusammenarbeit

Das Bundeskabinett hat mit seinem Eckpunktebeschluss zum Haushalt 2016 auch einen deutlichen Anstieg der Mittel für die Entwicklungspolitik und für die Zukunftsbereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung beschlossen. Dazu erklärt die Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel:

„Die zentralen Zukunftsbereiche genießen weiterhin hohe Priorität. Insgesamt steigt der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Haushaltsjahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um fast 1,1 Mrd. Euro auf knapp 16,4 Mrd. Euro. Für den Hochschulpakt stehen 2016 fast 2,6 Mrd. Euro zur Verfügung. Der Pakt für Forschung und Innovation wird 2016 fortgesetzt. Und: Die Ausgaben für die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit Sitz in Bonn, die Max-Planck-Gesellschaft, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, die Fraunhofer-Gesellschaft und die Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft werden um 3 Prozent gesteigert; diese Steigerung finanziert der Bund allein.

Auch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird bedacht. Schon nächstes Jahr soll der Etat des Ministeriums um rund 13,2 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro anwachsen. Dieser immense Aufwuchs ist vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verdanken, die schon in den Koalitionsverhandlungen 2013 eine Erhöhung der Ausgaben für Entwicklungspolitik um 2 Mrd. Euro durchgesetzt hat.

Diese Zahlen zeigen: Die unionsgeführte Bundesregierung investiert in die Zukunft unseres Landes und steht zu ihrer internationalen Verantwortung.“

Claudia Lücking-Michel ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestags.

Lücking-Michel zum Textilbündnis: „Deutschland muss für weltweit faire Arbeitsbedingungen eintreten“

Anlässlich des heute von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller initiierten Textilbündnis mit Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften betont die an der Gründungsveranstaltung teilnehmende Claudia Lücking-Michel, Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken:

„Wir dürfen es nicht länger hinnehmen, dass in vielen Entwicklungsländern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihren Rechten und in ihrer Menschenwürde verletzt werden. International anerkannte Leitlinien und Standards wie die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die ILO-Kernarbeitsnormen müssen endlich flächendeckend Realität werden. Daher ist das heute gestartete Bündnis ein wichtiger und bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Gerade eine starke Wirtschaftsnation wie Deutschland muss für weltweit faire Arbeitsbedingungen eintreten.

Ich glaube, dass niemand Kleidung tragen möchte, für die andernorts Menschen ausgebeutet werden. Aus diesem Grund ist auch das von Minister Müller geplante Textilsiegel für nachhaltig produzierte Kleidung so wichtig. Ein solches Siegel könnte Verbrauchern eine hilfreiche Orientierung geben und eine positive Breitenwirkung für den Kauf nachhaltig produzierter Kleidung in Deutschland entfalten.

Ich hoffe, dass die Unternehmen, die heute beim Gründungsakt nicht dabei waren, ihre Haltung noch ändern werden und dem Bündnis beitreten. Denn: Eine Katastrophe wie der Einsturz der Fabrik in Rana Plaza in Bangladesch im Frühjahr 2013 mit zahlreichen Toten und Verletzten darf sich nie mehr wiederholen.“

Hilfe für den Nordirak

Unter Abwägung aller Argumente habe ich heute dem Antrag der CDU/CSU und SPD-Fraktion „Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge im Irak und Kampf gegen die Terrororganisation IS“ (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/024/1802459.pdf) zugestimmt.

Der Vormarsch der Terror-Milizen „Islamischer Staat (IS)“ hat eine Massenflucht im Irak verursacht. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es insgesamt 1,2 Millionen Binnenflüchtlinge gibt. Besonders betroffen ist der kurdische Nordirak, wo sich die Regionalregierung um Versorgung der ca. 500 000 dort anwesenden Flüchtlinge kümmert und versucht, ihren Schutz und den Schutz der eigenen Bevölkerung zu gewährleisten.

Bei diesen Aufgaben ist die Regionalregierung jedoch dringend auf Unterstützung angewiesen. Darum begrüße ich das von der Bundesregierung verabschiedetet umfassende Unterstützungspaket an humanitärer Hilfe.

Weil in dieser besonderen Situation humanitäre Hilfe allerdings nicht ausreicht und der Vormarsch der IS-Milizen gestoppt werden muss, unterstütze ich mit dem Antrag auch Waffenlieferungen an die irakische Zentralregierung. Wichtig ist, dass diese Maßnahmen in Koordination mit unseren europäischen Partnern ergriffen werden. Für mich ist aber eigentlich der UNO-Sicherheitsrat dabei die entscheidende Instanz und muss dringend mit einbezogen werden.

Es geht außerdem weiterhin darum, an einer politischen Regelung des Konflikts zu arbeiten. Dafür soll sich die Bundesregierung bei den internationalen Partnern weiter einsetzen.