Berlin, 1. Juni 2017:
Nach eingehender Prüfung überwiegen für mich die politischen Vorteile des Gesetzes gegenüber den weiterhin bestehenden verfahrenstechnischen, verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Bedenken. Ich stimme dem Gesetz deshalb trotz großer Vorbehalte zu.
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden massive Änderungen an der gelebten Verfassungswirklichkeit vorgenommen. Insbesondere die (weitere) Abkehr vom Kooperationsverbot und die faktische Abschaffung des horizontalen Länderfinanzausgleichs zugunsten einer neuen vertikalen Finanzbeziehung greifen deutlich in die bisherige Organisation des Staates ein. Hier wäre eine stärkere Beteiligung von Anfang an sowohl des Deutschen Bundestages als auch der einzelnen Länderparlamente aufgrund der hohen Bedeutung der Entscheidung angebracht gewesen.
Die vorgesehenen Grundgesetzänderungen beeinträchtigen in erheblichem Umfang die föderale Struktur unseres Landes und heben die gesetzliche Regelungen in der Folge der Arbeit der Föderalismuskommissionen I und II mit dem Ziel, die Regelungsverantwortung für bis dahin gemeinschaftlich wahrgenommenen Aufgaben zu trennen, teilweise wieder auf. Die klare Trennung zwischen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern wird wieder zurückgenommen und in Teilen sogar aufgegeben.
Die jetzt zu beschließende Inanspruchnahme des Bundes bei der Finanzierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur in sogenannten finanzschwachen Kommunen ohne Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundes auf die Rahmenbedingungen in den geförderten Kommunen führt einer Verschlechterung der Position des Bundes, der lediglich zahlen soll. Zum anderen wird die Bildungspolitik als Kernkompetenz der Bundesländer ausgehöhlt. Die Länder geben erneut Gestaltungsrechte auf.
Den Ländern wird mit diesem Regelungspaket zugestanden, dass sie ihre Verantwortung für ureigene Länderangelegenheiten gegen Geldzahlungen des Bundes abgeben. Die Abhängigkeit der Länder vom Bund wird noch stärker. Der richtige Weg wäre gewesen, die Finanzausstattung der Länder so zu verbessern, dass sie ihren ureigenen Aufgaben gegenüber finanzschwachen Kommunen besser nachkommen könnten. Dass Länder Zuwendungen des Bundes mit dem Zweck, Kommunen zu unterstützen, vielfach nur teilweise weitergegeben haben und teilweise anderweitig verwendet haben, wäre mit anderen Mitteln zu unterbinden.
Auf der anderen Seite ist es unstreitig, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland eine politisch zentrale Aufgabe ist, bei der sich auch der Bund nicht einfach aus der Verantwortung ziehen kann. Durch erhebliche Unterschiede bei der Bildungsausstattung wäre diese Gleichwertigkeit auch langfristig massiv beeinträchtigt. Diesen gesamtstaatlichen Auftrag anders als durch die hier zu entscheidenden gesetzlichen Regelungen wahrzunehmen, ist gegenwärtig leider nicht möglich. Erst recht als Bildungspolitikerin könnte ich es gegenüber den Schulen zum Beispiel in meinem Wahlkreis nicht verantworten, ihnen durch eine Ablehnung heute mögliche Verbesserungen des Lernumfelds vorzuenthalten, für die es sonst kaum eine Chance gäbe.