„Genesung ist nicht über Finanzen steuerbar“

Bundestagsabgeordnete Lücking-Michel besucht Angehörigenverband

Zu einem regen Gedankenaustausch ist es nun zwischen der Bundestagsabgeordneten Dr. Claudia Lücking-Michel sowie der Vorsitzenden des Bundesverbands der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK), Gudrun Schliebener, und der BApK-Geschäftsführerin Dr. Caroline Trautmann gekommen. In der BApK-Geschäftsstelle in Bonn – Tannenbusch haben die BApK-Vertreter um Unterstützung für verschiedene Projekte geworben. So haben Schliebener und Trautmann das „Seelefon“ vorgestellt, ein telefonisches Beratungsangebot für Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Derzeit baut der BApK in Zusammenarbeit mit dem BKK- Dachverband ein arabischsprachiges „Seelefon“ auf, mit dem Flüchtlinge einen möglichst schwellenarmen Zugang zu psychiatrischen Versorgungsangeboten finden sollen. „Die Arbeit muss getan werden. Doch bedauern wir als Selbsthilfeverband, dass Beratungsangebote wie das „Seelefon“ meist nur über einen überschaubaren Zeitraum finanziert sind“, bedauert die BApK-Vorsitzende Schliebener. Wo notwendige Hilfe geleistet werde, könne sich nicht nur auf Ehrenamtlichkeit verlassen werden.

Einig sind sich Lücking-Michel, Schliebener und Trautmann bei der kritischen Bewertung des geplanten pauschalierenden Entgeltsystems Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP), das zum Jahresauftakt 2017 eingeführt werden soll. Dieses wirtschaftliche Pauschalsystem setze die falschen Anreize für psychiatrische Kliniken und deren Träger. Seelische Erkrankungen seien erfahrungsgemäß nicht über Schablonen abzubilden, kritisiert die BApK-Geschäftsführerin Trautmann. Die Geschwindigkeit der Genesung eines psychisch erkrankten Menschen sei nicht über Geld zu steuern, zu individuell seien die Wege zur seelischen Balance. Lücking–Michel hat zugesichert, die aus dem gemeinsamen Gespräch am Dienstag nach Pfingsten mitgenommenen Impulse in die politische Gremienarbeit mitzunehmen.

Bewusst geworden ist Lücking-Michel bei dem Zusammentreffen, wie sehr die Familien von den psychischen Erkrankungen Einzelner betroffen sind. Schliebener und Trautmann haben vom BApK-Projekt zur häuslichen Gewalt bei seelischen Erkrankungen und der Broschüre „Was tun – bei Konflikten und Aggressionen in Familien mit einem psychisch erkrankten Angehörigen ?“ Die praxisnahe Handreichung sowie Trainings für Angehörige zur Deeskalation kritischer Situationen stoße auf eine Resonanz, die man so nicht erwartet habe. Problematisch sei, wenn es einen Abhängigkeitskranken in der Familie gebe. Die Familie und deren Stabilität werde arg auf die Probe gestellt, so Schliebener und Trautmann.

Die BApK-Vorsitzende Schliebener hat mit dem Blick auf den Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes betont, dass für behinderte Menschen keine Nachteile entstehen dürften. Es müsse eine möglichst große Selbständigkeit bezüglich des Wohnens und des Arbeitens gewährleistet sein. Den Zwang, in eine Heimeinrichtung ziehen zu müssen, dürfe es nicht geben, so Schliebener. Behinderung dürfe nicht zwangsläufig in Armut führen.

Dem BApK sind 15 Landesverbände der Angehörigen psychisch Kranker mit mehr als 4500 Mitgliedern angeschlossen. Sie organisieren die Arbeit der bundesweit über 500 regionalen Selbsthilfegruppen, bieten unterschiedliche Beratungs- und Informationsangebote an und leisten Lobbyarbeit und Interessenvertretung in den Ländern, Regionen und Kommunen.

BApK Besuch Lücking-Michel Mai 2016 007

Text und Foto Christoph Müller, BApK
V.i.S.d.P.: Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. (BApK), Dr. Caroline Trautmann, Oppelner Straße 130, 53119 Bonn, Telefon 0228 / 71002404