Heute, 27. Februar 2015, hat der Deutsche Bundestag die Verlängerung der bestehenden Finanzhilfen zugunsten Griechenlands beschlossen. Dazu erkläre ich:
Mit dem Beschluss, den ich bei der Abstimmung im Bundestag heute unterstützt habe, wird die Frist für Griechenland, die im Rettungsprogramm vereinbarten Reformen umzusetzen, um weitere vier Monate verlängert. Bis dahin werden keine weiteren Finanzhilfen an Griechenland gewährt. Die letzte im Programm vorgesehene Hilfstranche von 3,7 Milliarden Euro (1,8 Mrd. Euro EFSF-Mittel und 1,9 Mrd. Euro aus den Zinsgewinnen des Rettungsschirms) wird weiterhin nicht ausgezahlt, bis die Troika zu einer positiven Bewertung der Reformbemühungen in Griechenland kommt. Erfüllt die griechische Regierung diese Anforderung bis Ende Juni 2015 nicht, wird es keine letzte Hilfstranche geben.
Den letzten Ausschlag für eine Zustimmung gibt für mich die strategische Dimension des Zusammenhaltens der Europäischen Union angesichts der bedrohlichen Entwicklungen im Osten Europas. Unser Mittel gegen die russische Aggression gegenüber der Ukraine ist das Zusammenstehen von Europäischer Union und NATO.
Im Einzelnen lasse ich mich bei meiner Entscheidung von folgenden Überlegungen leiten:
Wie in Irland, Portugal und Spanien funktioniert das Konzept der Euro-Rettung, das auf Konsolidierung der Staatsfinanzen, gepaart mit Hilfen an Länder in Schwierigkeiten setzt, bisher auch in Griechenland. Zwar ist die wirtschaftliche Lage dort nach wie vor angespannt, doch die dem Rettungspaket zugrunde liegenden Annahmen über die Entwicklung Griechenlands im Zeitverlauf waren bisher erfüllt. Es gibt keinen Anlass, an der Funktionsfähigkeit des Rettungskonzepts zu zweifeln.
Das Problem ist politischer Natur: Die neue griechische Regierung, die sich auf Linke und Rechtspopulisten stützt, hatte im Wahlkampf und danach ihrerseits einseitig den Ausstieg aus der Konsolidierungspolitik und den Bruch der Vereinbarungen mit der Euro-Gruppe angedroht.
Die klare Haltung des deutschen Finanzministers Dr. Wolfgang Schäuble und die Geschlossenheit der übrigen Mitglieder der Euro-Gruppe, die Prinzipien der Euro-Rettung nicht aufzugeben und an der Kombination von Hilfen und Reformen unverändert festzuhalten, hat sich aber am Ende durchgesetzt, auch wenn die griechische Regierung dies gegenüber ihren Wählern anders darstellt. Von den Ankündigungen der griechischen Regierung gegenüber den Wählern im eigenen Lande ist der Beschluss weit entfernt:
– Von einem Ausstieg aus der Reformpolitik ist keine Rede mehr. Vielmehr hat die griechische Regierung bekräftigt, die Reformen umsetzen zu wollen. Die Pläne der erheblichen Ausgabensteigerung werden dort nicht weiter verfolgt; auch zu massenhaften Neueinstellungen im Staatsdienst soll es nicht kommen. Die Privatisierungen werden fortgesetzt. Die Euro-Gruppe hat der griechischen Regierung lediglich zugebilligt, bis April Vorschläge zur Modifikation des Programms zu unterbreiten. Unter dem Strich dürfen die Konsolidierungsziele nicht in Frage gestellt werden.
– Auch eine Reduzierung der Schulden oder gar eine Verweigerung der Bedienung dieser Schulden ist vom Tisch. Angesichts der extrem niedrigen Zinsen, die Griechenland für die Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm zahlt, wäre eine solche Entscheidung für Griechenland fatal, würde sie doch die Glaubwürdigkeit des Schuldners Griechenland nachhaltig erschüttern. Nicht weniger, sondern mehr Zinszahlungen wären die Folge.
– Die Kontrollinstitutionen des Rettungsschirms werden ihrer Aufgabe in Griechenland weiter nachkommen und alle notwendigen Informationen beschaffen, die erforderlich sind, um die Umsetzung des Programms richtig zu bewerten. Das Dreier-Team aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Kommission wird auf Wunsch der griechischen Regierung nun nicht mehr Troika genannt werden.
Wenn die griechische Regierung zu ihren Zusagen steht und entsprechende Entschlossenheit bei der Umsetzung vorausgesetzt, kann sich die Situation positiv entwickeln.
Über das, was die Prüfungen der Troika ergeben und was dann nach Ablauf der neuen Frist Ende Juni geschieht, kann nur spekuliert werden. Im günstigen Fall erfüllt Griechenland innerhalb der jetzt zu verlängernden Frist das Programm. Dann ist zu prüfen, wie der ursprüngliche Plan der umgehenden Rückkehr Griechenlands an den privaten Kapitalmarkt verwirklicht werden kann. Der Bundestag hat den deutschen Finanzminister bereits Ende 2014 ermächtigt, in Gespräche darüber einzutreten, wie die zukünftige Verschuldung Griechenlands am privaten Kapitalmarkt gegebenenfalls durch flankierende Maßnahmen der Euro-Gruppe und des IWF sichergestellt werden kann. Die Gefahr eines Ausstiegs Griechenlands aus dem Euro wäre damit zunächst abgewendet. Über die Situation im Juni werden wir allerdings zu gegebener Zeit entscheiden müssen.
Der so genannte “Grexit” würde Griechenland umgekehrt vor enorme Probleme stellen. Der Zugang zur international geachteten Währung Euro wäre versperrt, die Akzeptanz der dann unvermeidlichen griechischen Alternativwährung wäre nur schwer durchzusetzen. Wer in Griechenland über Euro verfügt, würde massiv profitieren, wer keine Euros hat, würde verarmen. Ein Ausstieg Griechenlands würde aber auch für die gesamte Währungsunion deutliche Konsequenzen haben.
Allein die Abwehr dieser drohenden dramatischen Spaltung der griechischen Bevölkerung und der europäischen Währungsunion, gerade in politisch krisenhaften Zeiten, rechtfertigt meines Erachtens die jetzigen Anstrengungen, Griechenland in der Euro-Zone zu halten und hat mich bewogen, einer Fristverlängerung um vier Monate zuzustimmen.