Mein Name ist Philipp Böll, ich bin 16 Jahre alt und besuche das Clara-Schumann-Gymnasium in Bonn. Im Rahmen meines zweiwöchigen Schulpraktikums in der Verwaltung des Deutschen Bundestages hatte ich die Möglichkeit, ein Interview mit der Bonner Bundestagsabgeordneten Claudia Lücking Michel zu führen. Darüber hinaus besuchte ich mit meinen Mitpraktikanten interessante Plenarsitzungen und auch Sitzungen von Ausschüssen, um einen Einblick in das politische Geschehen und den parlamentarischen Alltag in Berlin zu bekommen. In den zwei Wochen konnte ich viele interessante und bereichernde Eindrücke sammeln, nicht zuletzt auch durch das Interview mit Claudia Lücking-Michel.
Warum sind Sie in die Politik gegangen? Gab es da bestimmte Motive oder Schlüsselerlebnisse?
Ein Erweckungserlebnis gab es für mich nicht. Aber das Bedürfnis mitzugestalten und etwas zu bewegen habe ich schon, seitdem ich Klassensprecherin im fünften Schuljahr wurde. Ganz lange habe ich auch vorpolitische Arbeit geleistet, wie z. B. Jugendarbeit in der Kirche, für den Pfarrgemeinderat und auch Verbandsarbeit. Es hat aber etwas gedauert, bis ich mich dann parteipolitisch engagiert habe. Dann bin ich auch zu der Einsicht gekommen, dass man sich für eine Partei entscheiden muss, wenn man mehr erreichen möchte. 2004 bin ich dann in die CDU eingetreten und 2012, als sich die CDU Bonn die Frage gestellt hat, wen man als Kandidat in den Bundestagswahlkampf schickt, bin ich einen Schritt weitergegangen und habe mich zur Wahl gestellt. Dann wollte ich mich auch als Berufspolitikerin versuchen.
Warum haben Sie dann diesen Schritt zur Bundestagskandidatin gemacht?
Für mich war und ist es eben sehr reizvoll, auf Bundesebene in der Politik mitwirken zu können. Bildungspolitik und auch z.B. die Arbeit von Organisationen wie Misereor oder sowie das Cusanuswerk werden auch gerade hier auf Bundesebene sehr stark mitgestaltet. Dann war auf einmal die Gelegenheit da, als die CDU einen Kandidaten suchte. Beruflich und familiär passte es auch, so dass ich die Chance genutzt habe.
Wie war Ihr Einstieg hier in Berlin?
Ich habe schon vorher sehr viele Abgeordnete, Minister und Staatssekretäre gekannt und somit viel über die Arbeit hier in Berlin gehört. Deswegen hab ich mir auch wenige falsche Vorstellungen vom Arbeitsalltag gemacht. Dennoch ist es etwas ganz anderes, selber diese Arbeit und die Erfahrungen zu machen. Theorie und Praxis unterscheiden sich doch sehr. Am Anfang war ich dann die „Neue“ mit vielen Fragen und Erwartungen. Alles war für mich unbekannt und man musste noch sehr viel klären und erfragen. An vielen Punkten musste man sich dann auch ganz hinten anstellen.
Wie lange hat es gedauert, bis sich alles grundlegend eingespielt hat?
Stufenweise. Bei den großen Angelegenheiten gibt es Leute, die einem dabei helfen und die Rolle eines Mentors einnehmen. Bis Dezember 2013 war viel zu tun – ich musste Mitarbeiter einstellen, ein Büro beziehen und eine Wohnung finden. An das viele Reisen musste ich mich auch erst gewöhnen. Daher war es für mich als neue Abgeordnete gar nicht so schlecht, dass die Koalitionsverhandlungen etwas länger gedauert haben. Als dann die Regierung gebildet und die Ausschüsse besetzt wurden, war ich soweit, dass ich mich bei den meisten Fragen sehr sicher fühlte.
Sie haben vor kurzer Zeit ihre erste Rede gehalten, wie fühlt es sich an vor vielen Parlamentariern und Zuschauern eine Rede zu halten?
Im Vorfeld habe ich mich gefragt, warum die anderen Abgeordneten sich so aufregen. Ich habe schon vor einer großen Zuhörerschaft geredet, aber als es dann ernst wurde, war ich schon sehr aufgeregt. Dann habe ich auch bei der Rede gemerkt, dass ich sehr beeindruckt war, dass ich jetzt selber am Rednerpult stehe und hier die erste Rede halte.
Was macht die Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete für Sie aus?
Mir gefällt die Vielfalt der Arbeit und auch die Vielfalt der Menschen, mit denen ich hier zu tun habe. Einerseits habe ich als Fachpolitikerin die Chance, mich in Themengebiete, die mich interessieren, sehr tief einzuarbeiten, und andererseits muss ich mich mit allen wesentlichen Themen auseinandersetzen. Auch im Wahlkreis, vor Ort, bin ich eigentlich die „Frau für alles“. Da kann ich nicht sagen, dass ich Bildungspolitikerin bin und mich z. B. Straßenlärm nicht interessiert. Das ist aber das Reizvolle. Dahingehend ist Bonn auch ein sehr guter Wahlkreis, weil dort viele Organisationen beheimatet sind.
Gibt es zurzeit ein Anliegen, dass Ihnen für Bonn besonders wichtig ist?
Die große Frage ist, wie es mit Bonn als Bundesstadt weitergeht und es uns gelingt, dieses Konzept zukunftsfest zu machen. Wir können nicht immer nur stur auf dem Bonn-Berlin-Gesetz beharren und es nicht weiterentwickeln.
Ist das ständige Wechseln zwischen Bonn und Berlin sehr anstrengend?
Es ist eine tolle Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizonts. Ich hätte ungern eine Stelle angefangen, bei der man ausschließlich in Berlin ist. Ebenfalls kann ich sehr gut umschalten, wenn es um die Themen und die ortsbezogene Agenda geht. Nichtsdestotrotz ist es sehr anstrengend. Am Freitag verlässt man dann das Plenum, um noch schnell den Flieger zu bekommen und in Bonn warten schon die nächsten Termine auf mich. So bin ich erst um 22 Uhr zu Hause. Nebenbei hat man das Gefühl, dass man die Zeit in Berlin komplett gebrauchen könnte, um die Arbeit hier zu erledigen und andererseits benötigt man auch sehr viel Zeit im Wahlkreis. Es handelt sich hierbei in der Tat um zwei Standbeine, und man muss ständig das Gleichgewicht halten.
Wie viele Termine kommen in einer Woche zusammen?
Was mir eben sehr gut an dem Beruf gefällt, ist, dass ich meine eigene Chefin bin. Ich kann die Tage selbst gestalten. Ich kann entscheiden, wie und wann ich im Wahlkreisbüro bin und mir die Termine zurechtlegen. Dies führt aber keineswegs dazu, dass ich weniger mache. Auch in Bonn bin ich sehr viel unterwegs zu vielen Abendterminen, besonderen Anlässen und auch, um den Kontakt zur Parteibasis zu halten. Ich bin stellvertretende Kreisvorsitzende, in der Frauenunion und auch im Bezirksvorstand der CDU. Damit kann man sich auch sehr lange beschäftigen. Hauptsächlich sind diese Verpflichtungen wichtig, um im Gespräch mit dem Wahlkreis zu bleiben und sich über aktuelle Themen zu informieren. Zudem möchte ich Bonn, meinen Wahlkreis, besonders gut kennenlernen, indem ich auch u.a. die Organisationen besuche, die sich mit meinen Themen beschäftigen.
Ist diese Vielfalt in Bonn auch das, was Sie an dieser eigentlich kleinen Stadt schätzen? Was gefällt Ihnen am besten an dieser Stadt?
Für eine Stadt dieser Größe ist Bonn sehr spannend, weil viele Einrichtungen, die interessante Arbeit machen, dort ihren Sitz haben. Zudem kommen sehr viele spannende Menschen nach Bonn, z. B. über die vielen NGOs und natürlich über die UNO. Auch wenn ich nicht mit Rheinwasser getauft bin, gehöre ich zu den vielen Menschen, die der Beruf nach Bonn geführt hat und damit Bonn schätzen gelernt haben. Eine Stadt mittlerer Größe, die landschaftlich schön gelegen ist, mit einer sehr schönen Innenstadt und vielem ehrenamtlichen Engagement gefällt mir sehr gut.
Werden Sie in Bonn auch von interessierten Bürgern angesprochen?
Ich bin zwar noch nicht so bekannt, jedoch haben viele Bürgerinnen und Bürger mein Gesicht schon auf den Wahlplakaten gesehen. Durch meine Termine im Wahlkreis habe ich auch noch einmal zahlreiche Menschen kennengelernt. So reagieren schon viele Leute auf mein Gesicht und grüßen freundlich, auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt direkt wissen, woher sie dieses Gesicht kennen. Für die Wege in der Stadt brauche ich jetzt auch deutlich mehr Zeit, weil ich dabei viele Leute treffe.
Sind sie überzeugte Karnevalistin?
Bei mir ist noch Luft nach oben, wobei ich sehr gerne Karneval feiere. Mir macht das viel Spaß. Allerdings hätte ich anders sozialisiert werden müssen, um eine richtige Vollblutkarnevalistin zu werden. Dennoch freue ich mich, jetzt als Abgeordnete zu vielen Sitzungen gehen zu können und zu vielen Terminen eingeladen zu werden. Neuerdings bin ich auch Mitglied in zwei Karnevalsvereinen.